Der “Mittelmeerkorridor”

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Na, lieber deutscher Leser? Schon mal davon gehört? Wenn nicht: es ist die Bezeichnung für den geplanten Neubau/Umbau der Eisenbahnlinie auf europäische Gleisbreite entlang der spanischen Mittelmeerküste, von der französischen Grenze bis Almeria. Also ein Gebiet, wo viele Deutsche wohnen, sei es ständig, sei es temporär. Der Zweck ist die Erleichterung des Güterverkehrs zwischen Spanien und Europa, was auch die Erleichterung der Exporttätigkeit der ausländischen (auch deutschen) Firmen einschliesst, die sich in dieser wichtige europäische Region angesiedelt haben. Es würde auch spanische Häfen wie Barcelona, València und Tarragona befähigen -durch die entsprechenden Gleisverbindungen- Drehscheiben für den europäischen Import aus Asien zu werden, mit eine Zeit- und Kostenersparnis gegenüber des Importes durch die Häfen von West- und Nordeuropa. Schon vor einigen Jahren ist dieser Eisenbahnkorridor von der Europäischen Komission als eines der vordringlichsten europäischen Projekte eingestuft worden.

Es ist ein Projekt, das grosse Vorteile für Spanien und Europa bringen würde. Man sollte also meinen, dass Spanien seine Verwirklichung entschieden vorantreiben würde, oder? Aber (April, April!) das Gegenteil geschieht. Warum? Na, klar: wegen der Vorteile für Katalonien. Vor ein paar Jahren hat ein Madrider Kongressabgeordneter an einen Kollegen aus Barcelona gesagt (natürlich “off the record”): “Wir werden nie diesen Mittelmeerkorridor bauen. Dadurch würde Katalonien zu stark werden und ihr würdet Spanien verlassen”. Unbegreiflich, aber typisch für die Denkweise vieler spanischer Politiker. Und diese Kurzsichtigkeit beflügelt noch mehr die katalanische Unabhängigkeitsbewegung.

Die Vorgabe der Europäische Komission war die Fertigstellung des Korridors bis 2018. Bei der jetzigen “Geschwindigkeit” der Arbeiten ist wahrscheinlicher ein Termin bis 2040 oder bis dem Sanktnimmerleinstag. Von den Mittel, die theorisch jährlich der spanische Haushalt dafür zur Verfügung stellt, wird in der Praxis nur ein sehr kleiner Teil wirklich verwendet (oft unter 10 %).
Anstatt des Mittelmeerkorridors hatte die spanische Regierung die Schnapsidee eine Linie durch Madrid und Aragonien und durch einen neuen kostspieligen Tunnel durch den Pyräneen zu bauen. Hauptsache: Katalonien bliebe aussen vor. Europa hat es natürlich abgelehnt und klar gestellt, dass dafür keine europäischen Mittel zur Verfügung stehen würden.

Es ist sehr traurig feststellen zu müssen, dass wenn es um Katalonien geht, für die spanische Politik allzuoft logisches und rationelles Denken Fremdwörter bleiben.

Foto: Hans Joachim Treller / pixelio.de

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